“Musikalisches Ökosystem“, “Naturorchester“ das klingt spannend? Das finden wir auch. Immer auf der Suche nach Inspirationen und neuen Möglichkeiten, die Hochseilgartenszene zu erweitern und ein umfassendes, abwechslungsreiches Programm anzubieten, haben wir für euch mit Ralf Gruttke gesprochen.
“MusimWa“ ist ein natur- und musikbezogenes Konzept von Waldpädagoge Ralf Gruttke im Raum Berlin und Brandenburg. Die Angebote umfassen musikalische Waldführungen für alle Altersklassen, sowie thematische Waldführungen mit maßgeschneiderten Inhalten, wie beispielsweise die Beschäftigung mit Totholz oder dem musikalischen Ökosystem und Lehrgängen für Fachkräfte und Erzieher. Für Ralf Gruttke ist eines klar: „Musik und Natur bedeutet Leben!“. Er versteht Musik als ein Medium, das alle Menschen miteinander verbindet, ganz egal welches Alter, welches Geschlecht oder welcher Herkunft. Dem musikalischen Ökosystem zu lauschen und mit Naturmaterialen ausgerechnet im Wald zu musizieren, hängt vermutlich mit seinem Studium zusammen – wir wollten es genauer wissen!
Ralf, du hast “International Forest & Ecosytem Management“ studiert, was war ausschlaggebend dafür dass dich zum Waldpädagogen weitergebildet hast?
Bereits vor meinem Studium in Eberswalde, hatte ich schon immer Interesse an sozialer Arbeit, Umweltschutz, Musik- sowie Kunsttherapeutischen Projekten und auch schon Erfahrungen in diesen Gebieten gesammelt. Im Rahmen meines Wahlfaches Umweltbildung fiel mir in der ersten Waldführung als Teilnehmer auf, dass sich dies perfekt mit meiner Leidenschaft zur Musik kombinieren lässt. An der Hochschule für nachhaltige Entwicklung werden nämlich zusätzlich zum Studium die Spezialisierungen in Waldpädagogik und Jagd angeboten. In meiner Abschlussarbeit 2016 mit dem Titel: „Die musikalischen Einflüssen in der Waldpädagogik“ habe ich mich dann noch intensiver mit der Thematik beschäftigt.
Du bist viel gereist und hast an unterschiedlichsten Orten der Welt musiziert. Was ist das Besondere für dich daran, im Wald Musik zu machen?
Die Wälder und ihre Klanglandschaften sind für mich schon ganz eigene Naturorchester und diese gilt es zu entdecken. Da die meisten Instrumente aus Holz bestehen, finde ich es nur sinnvoll, zur Quelle dieser Instrumente zu gehen. Es geht bei der Musik im Wald nicht darum, ein professionelles Saiteninstrument zu spielen, sondern die Urform der Musik in uns selbst zu entdecken. Das bedeutet auch, dass nur im Zusammenhang mit Komposition Fehler gemacht werden können. Wir improvisieren im Wald und gehen sozusagen auf eine Entdeckungsreise von Klängen auch mit uns selbst.
Alles ist Klang, denn es gibt keine absolute Stille. Verschiedene Klänge werden von uns teilweise als entspannend, andere wiederrum als störend wahrgenommen. Indem wir bewusst zuhören, lernen wir unser Gehör zu sensibilisieren und damit der Musik des Waldes lauschen zu können. Dies ermöglicht uns ein In-Verbindung treten mit der Natur, die wir im Alltag meist nicht eingehen. In der Waldpädagogik verbinde ich Umweltbildung und aktives Musizieren mit bewusstem Zuhören. Durch bewusstes Wahrnehmen von Klängen erkennen wir die Natur der Musik.
Musik und Natur bedeutet Leben!
Die “Musikalischen Waldführungen“ sind fester Bestandteil deiner Arbeit. Wer ist deine Zielgruppe?
Unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft ist Musik ein Medium, das Menschen verbindet und nicht zwingend musikalische Schulung erfordert. Selbstverständlich gibt es Instrumente, die gewisse Fähigkeiten und Kenntnisse voraussetzen, dennoch gibt es jene, die durch spielerische Kreativität zu erfahren und im Grunde kaum vorbelastet von Können oder Nichtkönnen sind. Der Wald bietet uns Freiraum, um die innere Musikalität durch seine Klangwelt und Materialien zu entdecken.
Ich bin überzeugt, dass musikalische Waldführungen für jede Zielgruppe eine Bereicherung darstellt und kann dies in meinem Arbeitsalltag immer wieder feststellen. Eigentlich gibt es für Musimwa gar keine bestimmte Zielgruppe, dennoch sind es häufig Kinder und Jugendliche die das Angebot in Anspruch nehmen. Ich arbeite sehr gerne mit jungen Menschen, da es, meiner Meinung nach, sehr wichtig ist so früh wie möglich Naturzusammenhänge und unsere Rolle als Menschen darin zu verinnerlichen. Ich arbeite mit Kindergärten, Grundschulen, Mittelschulen, Universitäten, Integrationsgruppen und seit Neuesten auch mit mehrfach beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen. Ich hatte auch schon Gruppen in denen Großeltern, Eltern und Kleinkindern gemeinsam entdecken konnten, dass niemand unmusikalisch ist.
Wie sieht ein beispielhafter Ablauf einer “Musikalischen Waldführung“ mit einer Gruppe Kindern aus?
Wir treffen uns zu Beginn und ich empfange die Kinder eigentlich immer mit einem Rhythmus, um sie so zu begrüßen. Eine Waldführung geht im Normalfall ungefähr drei Stunden, um die Kinder nicht zu überfordern und dabei werden spielerisch Zusammenhänge der Natur erlernt. Ich verstecke zum Beispiel eine Plastiktüte mit Drumsticks darin und gebe den Kindern die Aufgabe, etwas zu suchen, das nicht in den Wald gehört. Wenn die Tüte gefunden wurde befinden sich darin mit Absicht nicht genügend Drumsticks für die ganze Gruppe. Die Frage, was nun noch als Drumsticks verwendet werden kann, wird gestellt und im Idealfall kommen die Kinder darauf, Stöcke aus dem Wald zu benutzen. Welche Stöcke eignen sich besser, frische oder ältere? Mit den Drumsticks gehen wir dann zu einem liegenden
Totholzstamm und ich erkläre etwas über die Bedeutung von Totholz in unseren Wäldern(Nährstoffrückführung, Habitat für Insekten usw.) Jetzt kommt der aktive Part, in dem wir gemeinsam musizieren und die Kinder das Totholz bespielen, um zu sehen, ob wir eventuell einige Insekten heraustrommeln und erforschen können. Ich spiele dabei auf einer Trommel einen Grundrhytmus, dem die Kinder ganz einfach und instinktiv folgen. Danach schauen wir uns noch einige darin lebende Insekten an und ich erkläre etwas über sie.
Das bedeutet, dass die Kinder in den ersten zwei Aufgaben schon sehr viel über Müll im Wald, Arten und die eigene Musikalität lernen. Anschließend stelle ich noch andere klanggebende Elemente des Waldes vor und die nächste Aufgabe könnte lauten, sich ein eigenes Instrument mit wenigen Hilfsmitteln(Strick, Schere) und Materialien aus dem Wald zu bauen. Abschließend stellen wir unser eigenes Naturorchester auf und improvisieren mit ungleichen Instrumenten gemeinsam und tauschen dabei auch die unterschiedlichen Instrumente in verschiedenen Runden aus. Dann führe ich die Gruppe wieder aus dem Wald heraus und wir verabschieden uns. Dies ist jetzt aber wirklich nur ein Beispiel von vielen Aufgaben, die es so gibt und je nach Zielgruppe eben auch ganz anders ablaufen kann und zum Beispiel mit einem Hörspaziergang beginnen kann.
In deinen “Thematischen Waldführungen“ bietest du individuelle, auf die Gruppe zugeschnittene Inhalte an. Erzähl uns mehr.
Es macht natürlich einen Unterschied, ob ich eine Gruppe einmalig in den Wald führe und wie gerade eben im Ansatz beschrieben nur kurz Zeit habe, um die für mich wichtigsten Dingen zu vermitteln oder Gruppen habe, mit denen ich jede Woche über ein Jahr lang in den Wald gehe. Ich habe letztes Schuljahr 120 Kinder aus fünften und sechten Klassen in Biologie und Naturwissenschaften im Wald unterrichtet. Selbstverständlich passe ich dann meine Führung auf den Lehrplan an und nutze auch die Jahreszeiten, um verschiedene Aspekte von Artenkenntnis, Naturzusammenhänge, Musik und Leben zu vermitteln. Im Vorfeld informiere ich mich immer sorgfältig über die Gruppe um genau zu wissen, wo ich diese Gruppe genau abholen kann und was ich vermitteln möchte. Ich bespreche mit den Lehrer/innen, Erzieher/innen genau, was sie sich vorstellen, biete gewisse Spiele an und schreibe dann anschließend ein Konzept mit dazugehöriger Schlechtwettervariante. So bekommen die Gruppen die Waldführung, die für sie auch gut geeignet sind.
Das ist auch immer abhängig vom Waldgebiet, von der Jahreszeit oder Themen wie Wasser, Erde, Luft, Amphibien, Vögel, Gehölzarten usw. Ich hoffe sie verstehen was ich meine. Eigentlich ist jede Waldführung eine thematische Besonderheit, die immer auch an die gegebenen Umstände gekoppelt ist.
Musik im Kletterwald?
Kannst du dir vorstellen dass sich “MusimWa“ als ein ergänzendes Angebot in Hochseilgärten/Kletterwäldern integrieren lässt?
Ja, auf jeden Fall, denn für mich stellt so ein Hochseilgarten auch ein überdimensionales Holzxylophon dar. Ich war selber persönlich noch nie in einem Hochseilgarten unterwegs, aber ich stelle mir vor, die verschiedenen Holzelemente mit Drumsticks anzuspielen und denke, dass dies ein wahres Klangerlebnis ist. Außerdem sehe ich aus eigener Erfahrung das Problem von zu starken Klassengrößen. Als Alternative zu teilnehmenden Kindern, die eventuell warten müssen bis der Vorgänger/in das Hindernis bewältigt hat, könnte die Klasse von Anfang an in zwei Gruppen unterteilt werden. Somit kann die eine Gruppe mit mir in den Wald gehen, während die andere Gruppe derzeit den Hochseilgarten bewältigt. Nach vorgegebener Zeit werden dann die Gruppen getauscht und die Klasse hat an einem Tag doppeltes Programm ohne eventuell frustrierende Warteschlangen im Kletterwald.
In welchem Raum bietest du deine Arbeit an?
Ich bewege mich natürlich am liebsten in Eberswalde, da ich die Wälder dort sehr gut kenne und bringe auch sehr gerne Berliner Gruppen dahin. Dennoch arbeite ich überall da, wo es Wald gibt und bin jederzeit gewillt ,dafür zu reisen. Ich komme ursprünglich aus Sachsen und biete auch da regelmäßig Führungen an. Ich habe aber auch schon in Kenia und Mittelamerika (Belize, Guatemala) Führungen gegeben und die einzige Barriere, es nicht überall anzubieten, sind eigentlich nur die Sprache. Englisch und Deutsch ist kein Problem, mein Spanisch reicht aber leider noch nicht dafür aus. Berlin ist eine sehr grüne Stadt und ich gebe auch hier Führungen in kleinen Waldgebieten, dennoch empfehle ich immer, in naturnahe Wälder zu gehen.
Du bietest eintägige Lehrgänge für Fachkräfte und Erzieher an. Eignen sich die Lehrgänge für Trainer im Kletterwald?
In meinen Lehrgängen geht es um die Instrumente des Waldes, Spiele mit gleichen und ungleichen Instrumenten, bewusstes Zuhören, gemeinsames Improvisieren und weiteres Handwerkszeug von pädagogischen Stilmitteln bis hin zu Instrumentenbau. Selbstverständlich stellt so ein Lehrgang auch immer eine Bereicherung für Trainer/innen im Kletterwald sowie Erzieher/innen, Lehrer/innen dar. Wer daran Interesse hat, sollte sich einfach ganz unverbindlich bei mir melden.
Unsere Titelstory befasst sich mit dem Thema “Kindergeburtstag“. Arbeitest du vorrangig im Bereich “Waldpädagogik“ oder kommen auch Eltern im Bezug auf eine Kindergeburtstagsfeier auf dich zu?
Bis jetzt habe ich noch keine Kindergeburtstage im Wald veranstaltet. Für den Fall, dass eine waldpädagogische Lehrveranstaltung für einen Kindergeburtstag gewünscht ist, könnte ich auch dafür ein passendes Programm erstellen und durchführen.
Infos und Kontakt:
Ralf Gruttke
Nogatstr.11
12051 Berlin
Tel.: 0178 1029204
Email: musimwa@gmx.de