▸ Mit der Baumportrait-Serie möchte ich in den nächsten Ausgaben immer wieder eine Baumart vorstellen, die als Aktivbaum in Waldseilparks eine Rolle spielt. Den Anfang macht der sogenannte „Brotbaum der deutschen Forstwirtschaft“.
Die Fichte (Picea abies)
Die Fichte oder „Rottanne“, wie sie wegen ihrer rötlichen Borke fälschlicherweise auch genannt wird, ist eigentlich eine Baumart, die in den Gebirgen und Mittelgebirgen Süd- und Mitteleuropas und in den nordischen Regionen heimisch ist. Seit etwa zwei Jahrhunderten wird die anspruchslose Fichte allerdings ungeachtet der jeweiligen örtlichen Klima- und Standortverhältnisse in allen Regionen und Höhenlagen Mitteleuropas angepflanzt, da die Baumart als äußerst produktiver Holzlieferant vielseitig verwendbares Nutz- und Bauholz liefert.
Erscheinungsbild
Die Fichte ist im Normalfall eine einstämmige und immergrüne Baumart. Es gibt allerdings auch Ausnahmen wie das Bild links zeigt. In unseren Breiten erreicht sie Wuchshöhen von bis zu 30 Metern, während sie an Optimal-Standorten mit ausreichenden Niederschlägen (z. B. in Nordamerika) Höhen von 60 Metern, in Ausnahmefällen bis 80 Meter erreichen kann. Der Stammdurchmesser beträgt bis zu 1 Meter, wobei alte Exemplare, die nicht gleich zur „Hiebsreife“ geschlagen werden, durchaus auch 1,0 bis 2,5 Meter Durchmesser erreichen können.
Charakteristisch für alle Fichtenarten ist ein sogenanntes „monopodiales“ Wachstum. Das bedeutet, dass sich an der Spitze jedes Jahr ein zentraler Wipfeltrieb bildet, wodurch sich die bereits erwähnte Einstämmigkeit entwickelt. Seitlich entwickeln sich in bestimmten Abständen Seitentriebe, die in Astquirlen angeordnet sind und so einen stockwerkartigen Kronenaufbau entwickeln. Hierdurch entsteht schon in der Jugendphase eine pyramidale Kronenform, die bis zum Endalter erhalten bleibt.
Die Krone
Kronenform und Sprossensystem variieren je nach Standort, Lage und Umweltbedingungen. In den Höhenlagen der Alpen und der Mittelgebirge entwickelt die Fichte eine sehr schmale, spitze und wenig ausladende Kronenform. Das dient dazu, hohe Schneelasten auszuhalten, ohne dass es zu Kronenbrüchen kommt. Diese Erscheinungsform nennt man „Plattenfichte“. Im Flachland, wo keine großen Schneelasten zu erwarten sind, entwickelt die Fichte eine breite, ausladende, schirmartige Krone – hier spricht man von der „Kammfichte“. (Bild rechts) Es existieren natürlich auch diverse Zwischenformen, die dann als „Bürstenfichten“ bezeichnet werden.
Fichte sticht, Tanne nicht
Oftmals werden Fichten von Laien als Tannen bezeichnet. „Schau mal, der schöne Tannenbaum.“ Hier gibt es eine ganz leichte Eselsbrücke, damit auch der botanische Laie schnell eine Fichte von einer Tanne unterscheiden kann. Es gilt die einfache Regel: „Fichte sticht, Tanne nicht“. Dieser Spruch bezieht sich auf die Nadeln der Fichte, die ein bis zwei cm lang und spitz oder zugespitzt, bei manchen Arten sogar scharf und stechend sind. Bei der Fichte sind sie spiralig um den Zweig angeordnet. Bei der Tanne hingegen, sind die Nadeln tragflächenartig links und rechts am Zweig angeordnet, relativ stumpf und abgerundet an der Spitze und weisen einen flachen Querschnitt auf.
Die ledrigen Nadeln haben auf der Oberseite einen schönen sattgrün-glänzenden Farbton, während auf der Unterseite deutlich zwei weiße Wachsstreifen zu sehen sind. Mithilfe dieser Merkmale lässt sich die Fichte recht einfach von der Tanne unterscheiden. Hinzu kommt, dass bei den mittelalten und alten Fichten die Borke einen rötlichen Farbton zeigt, während die Weißtanne, wie der Name schon sagt, ein bisweilen weißes Rindenbild aufweist.
Brotbaum der Forstwirtschaft
Wie bereits eingangs erwähnt, wird die Fichte als „Brotbaum der Forstwirtschaft“ bezeichnet und das aus gutem Grund: Als Pionier auf Magerweiden und Waldlichtungen ist sie auf verarmten und verdichteten Böden jedem Laubbaum überlegen. Auch Feuchtigkeit, die vielen Laubbäumen zusetzt, verträgt die Fichte sehr gut – schließlich befindet sich ihr natürliches Verbreitungsgebiet in tiefen Lagen oft an Moorrändern oder in Auen. Selbst die Weißtanne hat bei der Aufforstung keine Chance gegen die Fichte, da sie in ihrer Jugend den Schutz der Mutterbäume benötigt und zudem sehr gerne vom Wild verbissen wird, das nur in absoluten Notfällen die spitzen Triebe einer Fichte verbeißt. So entwickelte sich die Fichte zum Liebling von Förstern und Bauern.
Mittlerweile sind zwei Drittel der Waldflächen Mitteleuropas mit Koniferen, also Nadelhölzern, bestanden. Zur Zeit liegt der Fichtenanteil im deutschen Wald bei etwa 33%. Der im 19. Jahrhundert aufgestellte forstliche Grundsatz der „Reinertragslehre“ beschreibt den Versuch, möglichst viel Geld aus dem Wald zu erwirtschaften mit den Bäumen als „Anlage“ und dem Zuwachs als „Rendite“. Die Fichte liefert zweimal so viel Holzmasse wie die Buche und sogar den dreifachen Ertrag an Möbelholz. Im Bauholzsektor dominiert die Fichte uneingeschränkt. Nahezu jeder Dachstuhl in deutschen Einfamilienhäusern besteht aus Fichtenholz.
Die Schattenseite
Und trotz allem ist es auch kein Geheimnis mehr, dass reine Fichtenbestände, vor allem an nicht geeigneten Standorten auch viele Nachteile für das Ökosystem Wald mit sich bringen: Zum Beispiel kommt es in Fichtenreinbeständen zu einer Versauerung des Bodens durch die Anhäufung saurer Nadelstreu. Des Weiteren sind solche sogenannten Monokulturen auch anfälliger gegen diverse fichtenspezifische Schadorganismen wie z. B.:
- Borkenkäfer
- Riesenbastkäfer
- Spinnenmilben
- kleine Fichtenblattwespe
- Fichtengallenläuse
um nur einmal die wichtigsten Arten zu nennen.
Bei den Pilzen, die als Hauptschädiger der Fichte eine Rolle spielen, sind der Rotfäulepilz und der Hallimasch zu nennen. Der Rotfäulepilz befällt die Fichte in erster Linie auf nicht optimalen, zu nährstoffreichen Standorten, die nicht zum natürlichen Spektrum der Fichtenstandorte zählen wie z. B. Kalkstandorte.
Als weiterer Schwachpunkt ist eine im Vergleich zu anderen Baumarten stark verringerte Kippsicherheit zu nennen. Die Fichte wurzelt als typischer Flachwurzler nicht in die Tiefe des Standortes, sondern bildet einen zum Teil weit ausladenden, flachen Wurzelteller. Wenn nun starke Sturmereignisse über Fichtenbestände hinwegziehen, liegt es in der Natur der Sache, dass die Fichte mit ihrem oft langen astfreien Schaft und der hoch angesetzten Krone ungünstige Hebelverhältnisse aufweist und der flache Wurzelteller einfach aus dem Erdreich gehebelt wird. Dies ist vor allem in Beständen der Fall, win denen zuvor schon Lücken durch frühere Stürme entstanden sind und sich die Bäume nicht mehr ausreichend gegenseitig stützen können. Es kommt aber bei Stürmen durchaus auch vor, dass mitunter gut verwurzelte Exemplare aufgrund der relativ weichen Holzstruktur nicht ausgehebelt, sondern gebrochen werden. Man unterscheidet hier zwischen „Sturmwurf“ und „Sturmbruch“.
Klimawandel
Im Hinblick auf die vielzitierte Klimaerwärmung ist im mittlerweile dritten Trockensommer in Serie immer mehr zu beobachten, wie die Fichte leidet. Als Baumart, die vorzugsweise natürlich auf der Nordhalbkugel vorkommt und kühle Lagen sowie eine ausreichende Wasserversorgung benötigt, kommt die Fichte mittlerweile immer mehr an ihre Grenzen. Fachleute prophezeien bereits, dass sich die Fichte in ihrem bisherigen Ausmaß nicht mehr längerfristig halten kann und zurückgehen wird. Lichte Kronenbilder mit deutlichem Nadelverlust sind leider immer öfter zu sehen.
Die Fichte als Aktivbaum im Kletterwald
Wie bereits beschrieben, findet man die anspruchslose Fichte allerorten und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass diese Baumart sehr häufig als Aktivbaum in Kletterwäldern Verwendung findet. Daher liegt es in der Natur der Sache, dass die beschriebenen Probleme und möglichen Schadbilder auch die Betreiber von Waldseilparks und Kletterwäldern betreffen.
Bleiben wir also zunächst einmal im Bereich der abiotischen und biotischen Schäden: Zu den abiotischen Schäden zählen z. B. Schäden durch Wind, Frost, Hitze, Schnee und Eis, durch Nährstoffmangel sowie – was eher selten vorkommt – durch Blitzeinschläge. Bei den biotischen Schäden handelt es sich um Schädigungen, die durch lebende Organismen verursacht werden.
Windwurf oder Windbruch
Neben Schäden am eigentlich betroffenen Parcour oder der eigentlich betroffenen Übung kommt es bei Bruch oder Umsturz von Fichten auch häufig zu Schäden an Nachbarbäumen oder Nachbarparcours. Hier bleibt zunächst zu hoffen, dass der Fichtenbestand, in dem die Anlage gebaut wurde, genügend Ersatzbäume für einen entsprechenden Umbau bereithält.
Käfergefahr
Außer der Sturmwurf- oder Bruchgefährdung der Fichte sind aktuell zwei Problematiken zu nennen, mit denen sich die Betreiber von fichtendominierten Anlagen auseinandersetzen müssen: Das erste Problem ist im Rückblick auf die letzten drei bis vier Jahre ein starkes Aufkommen von Borkenkäferbefall mit zum Teil erheblichen Ausfällen. Leider lassen sich solche Schadbilder im Vorfeld kaum vermeiden, da die Befallsintensität stark von der Witterung und der damit einhergehenden Vermehrungstätigkeit des Käfers abhängt. Erschwerend kommen hier natürlich noch die Auswirkungen der starken Trockenheit hinzu.
Wenn der Baum aufgrund von bereits vorhandenem Wassermangel unter Trockenstress leidet, kann nicht mehr ausreichend Harz produziert werden, um eventuelle Borkenkäferangriffe aus eigener Kraft abzuwehren. Ein Ertränken der eingebohrten Käfer im Harz ist somit nicht mehr möglich. Daher bleibt dem Betreiber in Zeiten einer Käfergefahr kaum eine andere Möglichkeit, als eine mögliche Schadensbegrenzung durch ein aufmerksames, regelmäßiges Monitoring. Wird ein Käferbefall festgestellt, ist eine umgehende Entfernung des Baumes der einzige Weg der Schadensbegrenzung.
Wenn die befallene Fichte so lange stehen bleibt, bis die aktuelle Käferbrut fertig entwickelt ist und ausfliegt, wird die Gefahr eines Befalls von Nachbarbäumen umso größer. Die richtige Vorgehensweise ist hier meist eine gute Zusammenarbeit mit dem örtlichen Förster, denn der hat in der Regel kurze Wege zur Anlage, ist über die aktuelle örtliche Situation genau im Bilde und kann daher bei der jeweiligen Entscheidung meist den richtigen Rat geben.
Tockenstress
Das zweite Problem ist die Tatsache, dass wir in unseren Breiten nun mittlerweile den dritten Trockensommer in Serie zu verzeichnen haben. Wie bereits zu Beginn erwähnt, kommt die Fichte in manchen Gebieten durch den permanenten Wassermangel und die hohen Temperaturen langsam aber sicher an ihre Grenzen, was sie uns leider immer häufiger und nur allzu deutlich in ihrem Erscheinungsbild zeigt. Gegen diese Entwicklung sind wir leider machtlos und es bleibt Waldbesitzern, Waldbauern und auch den Betreibern von Anlagen in Waldbeständen nichts weiter übrig, als zu hoffen und aufmerksam zu beobachten.
Besonderheiten der Fichte als Aktivbaum im Waldseilpark
In der Regel werden kaum alte, wertvolle und hiebsreife Fichtenbestände für die Errichtung von Kletterwäldern verpachtet. In der Praxis haben wir es daher zumeist mit mittelalten Beständen in Altersstrukturen von +/- 40 bis 60 Jahren zu tun. Die meisten von mir betreuten Anlagen in Fichtenwäldern sind in Bäumen installiert, die zwar ihren Höhenzenit bereits erreicht haben, aber nun ihren Wachstumsschwerpunkt auf das sogenannte „sekundäre Dickenwachstum“ verlagert haben. In der Praxis bedeutet dies vereinfacht ausgedrückt. Die Bäume werden jedes Jahr ein bisschen dicker.
Hieraus resultieren bei den Jahreskontrollen die meisten Probleme: Dies beginnt bei Kontakt mit den Plattformkanten, was manchmal so weit geht, dass es zu mechanischen Verformungen am Stamm kommt.
Weiterhin zu beachten sind oft eingedrückte, einwachsende Abstandshölzer, einwachsende Drahtseile und einwachsende Abstandshülsen, sowie zu guter Letzt Überwallungswachstum im Bereich der geklemmten Plattformhölzer, die sogar soweit führen können, dass die Fichten einen viereckigen Stammquerschnitt entwickeln.
Die hier beschriebenen Effekte sind aufgrund des Dickenwachstums als normal einzustufen und daher auch nicht zu vermeiden. Allerdings sollte der betroffene Betreiber darauf achten, dass es nicht soweit kommt wie auf einigen der hier gezeigten Bilder. Es ist daher empfehlenswert, regelmäßig nachzuarbeiten und die beschriebenen Probleme bereits in einem frühen Stadium durch entsprechende Umbau- und Nachbesserungsarbeiten zu beheben, da es sonst zu Effekten wie einer Verschlechterung des Saftflusses durch Abschnürung bis zur Bildung von Sollbruchstellen kommen kann.
Stressreduktion
Die Fichte wird durch Veränderung des Klimas, erhöhtes Aufkommen von Stürmen und durch großflächigen Schädlingsbefall bereits jetzt stark gefordert. Daher wäre es wünschenswert, wenn die Aktivbäume in unseren Anlagen nicht zusätzlich noch mechanisch unter Stress gesetzt würden. Das ist einer der wenigen Punkte, bei dem durch unsere Aufmerksamkeit und unser Zutun Abhilfe geschaffen werden kann.
Hier noch ein Beispiel:
Zu guter Letzt noch etwas zum Nachdenken: Im Bereich der Geopathologie gilt die Fichte als „Strahlenflüchter“. Da sie aber nicht in der Lage ist, mal eben ihren Standort zu wechseln, reagiert sie mit speziellem Wuchsverhalten auf die entsprechenden Belastungen. Hier zum Abschluss ein eindrucksvolles Beispiel einer Fichte, die im direkten Bereich einer Wasserader wächst:
Infos und Kontakt:
Joachim Schuster
Ingenieurbüro für BaumpflegeMarkusweg 8
78199 Bräunlingen
Tel.: 07705 9788080
E-Mail: ing.buero_schuster@yahoo.de