Ja – man möchte meinen, der Sommer 2018 hat Deutschland kurzfristig in eine endlose Savanne verwandelt. 300 Stunden Sonne und von Regen kaum eine Spur. Während unsereins den “Supersommer“ vielleicht mit einem Eis in der Hand im Freibad verbrachte und sich die Füße im kühlen Nass erfrischt hat, erging es einigen heimischen Lebewesen um einiges schlechter.
Blattlaub pflasterte unsere Wege, ein dramatischer Anblick der stark an Herbst erinnerte. Trockenstress so weit das Auge reichte.
Während man auf dem Balkon eine Extrarunde mit der Gießkanne drehte, drängten sich einige bedrohliche Fragen auf: “Was passiert mit unseren Bäumen, wenn der Regen ausbleibt? Was bedeutet diese trockene Hitze für uns?“
Wir wollten es genauer wissen und haben für euch mit dem Experten und Baumsachverständigen Marc Wilde gesprochen.
Was sind sichtbare und weniger sichtbare Folgen der Hitze?
Sichtbare Folgen sind ein vermehrtes Eintrocknen von Endtrieben im Bereich des Kronenmantels bei Laubbäumen. Der vermehrte Abwurf von Kurztriebketten sowie die verminderte Ausbildung von austriebsfähigen Endknospen lassen sich ebenfalls bei Laubbäumen vermehrt beobachten. Hierdurch werden u.a. die Kronen von Rotbuchen, Stieleichen, Eschen zunehmend lichter und transparenter. Der Lichteinfall in die Kronen hinein erhöht sich mit der Folge, dass u.a. bei Rot – Buchen die Sonnenbrandnekrosen auf den Oberseiten von Grob- und Starkästen mit einer Folgebesiedelung durch Astreinigungspilze (z. B. Pfennigs-Kohlenkruste) zunehmen. Dies führt oftmals zu einer vorzeitigen Astversprödung mit Astabbrüchen. Ebenfalls sichtbar zugenommen hat die Fruktifikation u.a bei gestressten Rot – Buchen und Eschen, die in den Folgejahren jeweils zu Kronenverlichtungen und Vitalitätseinbußen führen.
Bei Nadelbaumarten wie Fichte, Tanne und auch Kiefer lässt sich ein vermehrter Abwurf von älteren hin zu jüngeren Nadeljahrgängen erkennen. Weiterhin sichtbar ist die deutliche Zunahme an Borkenkäferkalamitäten bei Fichte und Tanne, die zu einem raschen Absterben ganzer Waldparzellen geführt hat.
Zunächst weniger sichtbar ist die Zunahme von pilzlichen Erkrankungen z.B. Nadelpilzerkrankung an Kiefern in Bayern oder Phytophthora Wurzelerkrankungen z.B. an Stiel- eiche und Rotbuche (bundesweit). Die Folgeschäden zeigen sich im Regelfall erst zeitverzögert nach zwei bis drei Jahren.
Welche Auswirkungen haben diese Baumschäden auf das Ökosystem?
Dies lässt sich nicht pauschal beantworten. Die massivsten Schäden lassen sich im Regelfall in Reinbeständen (z.B. Fichtenkulturen, Eschenreinbeständen) beobachten, da sich hier sowohl Schädlingspopulationen als auch Krankheiten am schnellsten entwickeln können. Die ökologische Breite ist in vergleichbaren Reinbeständen im Vergleich zu Mischbeständen jedoch deutlich geringer, so dass sich hier die Schäden für das jeweilige Ökosystem oftmals in Grenzen halten. Viel interessanter ist die Frage, wie in der Folge mit vergleichbaren Flächen umgegangen wird. Betrachtet man ehemalige Fichtenbestände z.B. im Harz, die man nach dem Absterben der Reinbestände in der Folge der Sukzession überlassen hat, so entwickeln sich in der Folge deutlich artenreichere, ökologisch wertvollere Gesellschaften, die sich auch gegenüber Extremwetterlagen besser behaupten als Reinkulturen.
Welche Baumarten litten besonders?
Fichte, Rotbuche, Kiefer, Esche (mit dem Eschentriebsterben bundesweit).
Hat die Hitze gleichermaßen jungen wie alten Bäumen zugesetzt?
So lässt sich nicht pauschal beantworten. Dies ist u.a. bei Altbaumbeständen abhängig von der Bodenart, der Baumartenzusammensetzung, der Höhe des anstehenden Grundwasserstandes und der Kappilarität des Bodens. Bei grundwasserfernen Standorten mit höheren Sandanteilen lassen sich Trockenschäden oftmals deutlich früher beobachten als bei grundwassernahen Standorten mit einem erhöhten Anteil an Mittel- und größeren, speicherfähigen Feinporen. Jungbaumstandorte sind durchweg massiv von der Trockenheit betroffen, unabhängig von der Baumart, da der jeweilige Wurzelkörper noch nicht in tiefere Bodenschichten vorgedrungen ist. Die Ausfälle bei Jungbaumschonungen und Einzelbaumpflanzungen waren im vergangenen Jahr extrem hoch!
Was kann der Einzelne in heißen Sommern für den Wald tun?
Möglichst auf den ausgewiesenen Wegen bleiben und nicht wild durchs Unterholz stampfen. Vor allem nicht zündeln.
Ist es sinnvoll, insbesondere bei Stadtbäumen mit Gießen nachzuhelfen?
Ja. Dies kann in Einzelfällen sehr sinnvoll sein, vor allem in den Monaten April bis Juni. Hier helfen jedoch nur einzelne Gießgänge, die eine tiefe Durchfeuchtung des jeweiligen Bodens gewährleisten. Also lieber seltener gießen, dafür deutlich intensiver. Die feinen Saugwurzeln müssen sich vollsaugen können, damit überhaupt ein Effekt erzielt werden kann. Helfen kann gießen mittels Kreissegmentregnern oder Feuerwehrschläuchen über mehrere Stunden. Geht jedoch nur bei ausreichend vorhandenem Wasservorrat. Im Sommer 2018 war z.B. im Frankfurter Raum das Gießen von Garten- und baumbestandenen Flächen auf Grund der Wasserknappheit untersagt.
Denken Sie, dass wir mit weiteren Sommern dieser Art rechnen müssen?
Ja. Die Extremwetterlagen nehmen seit 2003/2004 für jeden merklich zu.
Was bedeutet diese Situation für die Kletterwaldbetreiber?
So lässt sich nicht pauschal beantworten. Dafür sind die Baumbestände, die Standorte, die Nutzungsintensität, die Pflege des Waldbodens, der Umgang mit den Bäumen etc. zu unterschiedlich. Zunehmen werden sicherlich Schädlingsaufkommen wie Goldafter, Schwammspinner, Kiefernprozessionsspinner, Eichenprozessionsspinner, Borken- und Prachtkäferarten, so dass sich hieraus größere Aufwendungen der Kletterwaldbetreiber zum Schutz der Kletterwaldbesucher ergeben. Zudem nehmen bestimmte holzabbauende Pilze wie der Harzige Lackporling, der Riesenporling, der Schwefelporling sowie der Hallimaschpilz deutlich zu, so dass die so befallenen Bäume vorzeitig ihre Stand- und/oder Bruchsicherheit verlieren.
Infos und Kontakt:
Planungs- und Sachverständigenbüro
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