Schon von weitem erhebt sich der Bergrücken des Saint Julien wie ein Fächer über den Ort Buis-les-Baronnies. Wer den Hinweisschildern zum „Via ferrata du Saint-Julien“ folgt, erlebt Klettervergnügen pur auf vier unterschiedlichen Klettersteigen. Einen Fächer müsst Ihr übrigens nicht mitnehmen: Die meisten Abschnitte liegen im Schatten.

Eine Hinweistafel im Ort verschafft einen ersten Überblick über die verschiedenen Vie Ferrate. Hier findet man den „La Pitchouno“ (ganz rechts seitlich, grün), den „La Testouriasso“ (rechts, blau), den „La Roumpo Quièu (in der Mitte, schwarz) und den „La Tihousso“ (ganz links, rot). Die Auswahl fällt schwer, denn jeder der Klettersteige hat seinen besonderen Reiz. Deshalb unser Tipp: Einfach alle machen! Laut offiziellem Hinweis schaffen das die Schnellen unter Euch in sechs Stunden, die Genießer in neun Stunden. Aber es muss ja nicht gerade alles an einem Tag sein – die Region lädt auch zum längeren Verweilen ein, so dass man die Klettersteige bequem nach und nach an verschiedenen Tagen klettern kann.

Beschaffenheit

Die Klettersteige wurden erst im Jahr 2014 eröffnet und befinden sich dem entsprechend in einem top Zustand. Anders als bei den meisten französischen Klettersteigen hat man hier sogar Kontakt zum Fels und nicht nur zum Eisen.

Material

Wie immer obligatorisch sind Helm, Gurt und Klettersteigset. Eine Seilrolle benötigt Ihr nur, wenn Ihr den „La Thiousso“ begehen wollt. Für den schwierigsten der Klettersteige, „La Roumpo Quièu“, empfehlen wir eine zusätzliche Bandschlinge mitzunehmen, damit Ihr Euch zwischendurch bei Bedarf ein wenig ausruhen könnt.

Anfahrt

Ab Orange (A7) folgt Ihr der D975 bis Vaison-la-Romaine. Dort wechselt Ihr zunächst auf die D938, dann auf die D46. Dieser folgt Ihr bis sie bei Mollans-sur-Ouvèze in die D5 übergeht, welche Euch direkt in den Ort     Buis-les-Baronnies führt. Im Ortszentrum fahrt Ihr über die Brücke, die über den Fluss Ouvèze führt, und dann vorbei an einem Camping Municipal. Danach bieten sich Euch mehrere Parkmöglichkeiten. Je nachdem welchen der Vie Ferrate Ihr klettern möchtet, haltet Ihr Euch eher links oder eher rechts.

Startpunkt

Die Zustiege zu den Klettersteigen sind allesamt angenehm kurz. Innerhalb von zehn Minuten habt Ihr jeden Klettersteig von den unterschiedlichen Parkplätzen aus erreicht.

Verlauf

Wir geben Euch einen Überblick über die verschiedenen Vie Ferrate von rechts nach links.

„La Pitchouno“ (grün)

(leicht, C)

 

Liebevoll „la petite“ genannt, fällt dieser Klettersteig etwas aus der Reihe. Es handelt sich um einen kurzen und einfachen Via Ferrata. Gerade mal 170 Meter ist er lang und erfordert nicht viel Ausdauer oder Kraft. Er eignet sich daher hervorragend, um ihn gemeinsam mit Kindern oder „zum Warmwerden“ zu begehen. Spannend ist der Klettersteig aber allemal: Ihr passiert zwei schmale Brücken, eine nepalesische Brücke und eine Seilbrücke, balanciert über einen Holzbalken und hangelt Euch sogar an einem Kletternetz empor.

Dauer des Klettersteigs: 30-60 Minuten

Kinder sollten mindestens 1,25 Meter groß sein.

Gut zum Warmklettern oder für Einsteiger: La Pitchouno

„La Testouriasso“ (blau)

(schwierig, D)

Hier geht es schon mehr zur Sache. Senkrechte Felswände und tiefe Ein- und Ausblicke zeichnen diesen Klettersteig aus. Über eine Länge von 460 Metern wird hier ganz schön gekraxelt. Ein wenig schwindelfrei solltet Ihr sein, denn auf insgesamt zwei Nepalbrücken und einem einfachen Seil balanciert Ihr über tiefe Schluchten. Belohnt werdet Ihr hierfür mit einem grandiosen Blick über das Tal. Aufregend sind auch die verschiedenen Holzbalken, die Ihr überwinden müsst. Mal hängen sie frei schwebend über dem Abgrund, mal kleben sie eng an der Felswand, so dass man sie nur seitlich gehend bewältigen kann.

Dauer des Klettersteigs: 1,5 bis 2 Stunden

„La Roumpo Quièu (schwarz)

(sehr schwierig bis extrem schwierig, TD – ED)

Dürfen wir vorstellen: the King of Saint-Julien! Man nennt ihn auch „leg burner“. Das hat sicherlich auch mit der Länge von 640 Metern zu tun. Gefühlt handelt es sich hierbei nämlich um reine Höhenmeter. Denn hier geht es oft einfach nur steil nach oben, immer schön an senkrechten Felswänden empor. Da können die Beine schon mal ins Zittern geraten. Hat man die Höhe erfolgreich überwunden, darf man über insgesamt zwei Nepalbrücken, eine Hängebrücke, sechs (!) Holzbalken und zwei Seile balancieren. Unter allen von ihnen – Ihr ahnt es schon – nichts. Höhe und gelegentliche Ausgesetztheit sollte einem also nichts ausmachen. Wer fit genug ist, kann sich etwa in der Mitte des Klettersteigs für eine athletische Variante entscheiden, wer sich das nicht zutraut, kann diese umgehen.

Dauer des Klettersteigs: 2,5 bis 3 Stunden

Keine Angst vor Höhe: La Roumpo Quièu fordert heraus

„La Tihousso“ (rot)

(schwierig, D)

Unserer Meinung nach „the Queen“ unter den vier Klettersteigen. Das Hinweisschild zu Anfang spricht von ihm als „the tough“. Auch hier geht es los mit einer senkrechten Felswand, die man zunächst ordentlich in die Höhe klettert, dann im Quergang überwinden muss. Darauf folgt sofort die Tyrolienne. Achtung! Man kann diese nicht umgehen! Die Seilbahn ist ordentlich hoch und überwindet eine lange Strecke über dem Abgrund. Ihr solltet Euch also sicher sein, dass Ihr das aushaltet, bevor Ihr in den Klettersteig einsteigt. Auch der Rest der Route bleibt spannend: Es gibt insgesamt drei Seilbrücken, eine Nepalbrücke und einen Holzbalken – und das alles in enormer Höhe bis hinauf zum Gipfelkreuz. Schwindelfreiheit ist also ein absolutes Muss. Insgesamt misst der Klettersteig 440 Meter.

Dauer des Klettersteigs: 1:45 bis 2:15 Stunden

Auf dem Weg zur Tyrolienne: La Tihousso

Abstieg

Ebenso wie die Einstiege sind auch die Abstiege von jedem der Klettersteige moderat. Teilweise geht es durch schattiges Gelände am Fuße des Berges entlang. Egal welchen Parkplatz Ihr gewählt habt, länger als 20 Minuten braucht ihr zurück nie.

Fazit

Der Rocher du Saint-Julien bietet Futter für mehrere Tage. Jeder der Klettersteige bringt seinen gewissen Reiz mit sich. Abgesehen von dem kleinen „La Pitchouno“ sollte man aber auf jeden Fall gut mit Höhe umgehen können. Man klebt bei den anderen drei Klettersteigen wirklich oft an senkrechten Wänden, die zuerst nach oben und dann nach unten kein Ende zu nehmen scheinen. Nehmt Euch genügend Zeit für eine Rast oben am Gipfelkreuz und genießt die herrliche Fernsicht über die Provence.

Tipps

Der Rocher du Saint-Julien ist nicht nur etwas für Klettersteigfans. Wer sich auch gerne beim Sportklettern austobt, ist hier ebenso gut aufgehoben. Auf der Rückseite des Berges befindet sich ein Klettergebiet mit mehr als 100 Routen in den Franzosengraden 3b bis 7b. Es gibt Routen, die bis zu 120 Meter lang sind und sich so hervorragend für Mehrseillängen eignen. Die Hanglage ist allerdings in südliche bis süd-westliche Richtung ausgelegt, es kann also ganz schön sonnig und warm werden.

Um den Berg herum bieten sich zudem zahlreiche Wanderwege an. Und wer nach all der Kletterei genug vom Fels hat, kann sich genüsslich in dem kleinen Ort Buis-les-Baronnies zurücklehnen. Die französische Kleinstadt mit nur rund 2.000 Einwohnern versprüht ein gelassenes Ambiente. Hier wird noch in aller Ruhe auf Bänken inmitten des Ortes gesessen und Rotwein getrunken. Dabei könnt Ihr Euch schon das nächste Ausflugsziel ausgucken: die über dem Tal thronende Chapelle Saint-Trophime mit einer großen Statue des Heiligen davor.