▸ Wie in anderen Branchen auch, können bei Unfällen und sonstigen Störungen im Betrieb eines Seilgartens verschiedene Marktteilnehmer dafür haftbar gemacht werden. Im Zivilrecht gilt allerdings der allgemeine Grundsatz, dass die Haftung ein Verschulden voraussetzt. Nur in wenigen Fällen wird diese Voraussetzung eingeschränkt oder ganz weggelassen. Das gilt ebenso für die Produkthaftung. Sie trifft jeden Hersteller eines schaden-verursachenden Produktes: und damit auch Seilgartenbetreiber.
Seilgärten und Herstellerhaftung
Seilgartenbetreiber kennen die Vorgaben der EN 15567 für Hersteller und die Bedeutung für die eigene Dokumentationspflicht. Erbauer und Betreiber können somit selber einschätzen, ob sie als Hersteller haften. Dabei gibt es einige Abgrenzungen zur vertraglichen Haftung zu beachten, namentlich Schlecht-Erfüllungen, Nachbesserungen oder Wandlungen. Aber was genau ist damit gemeint?
Kausalhaftung
Im unternehmerischen Sinn versteht man unter Haftung die Leistungspflicht eines Schuldners gegenüber einem Gläubiger. Eine Haftung kann aus verschiedenen rechtlichen Eigenschaften erfolgen, beispielsweise bei einem Kausalzusammenhang (Kausalhaftung). Ein klassisches Beispiel für diesen Fall ist ein spielendes Kind, das auf die Straße rennt und von einem Autofahrer verletzt wird. Auch wenn den Fahrzeuglenker keine Schuld trifft, haftet er für das verletzte Kind. Es gibt also einen vorhandenen Schaden, der Schädiger handelte widerrechtlich und die Ursache und Wirkung hängen zusammen: Kausalität + Verschulden + Widerrechtlich = Haftung = Schadensersatz.
Delikthaftung
Aber auch eine Teil- oder Mitschuld können zur Haftung führen, so dass Schadensersatz oder Schmerzensgeld erhoben werden. Dazu kommen die Möglichkeit einer deliktischen Haftung in unbegrenzter Höhe und die Übertragung der Beweislast auf den Anspruchsteller. Nach den gesetzlichen Bestimmungen (Deliktrecht) muss man grundsätzlich für einen Schaden aufkommen, den man einem anderen schuldhaft zugefügt hat (Stichwort: Schadensersatz). Man spricht hier von deliktischer Haftung – auch Unrechtshaftung oder Verschuldenshaftung genannt.
Produkthaftung
Die Produkthaftung bestimmt die Haftung des Herstellers einer Ware für Schäden, die zum Beispiel durch Konstruktionsfehler dem Verbraucher entstehen. Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt, ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Produkthaftung ist verschuldensunabhängig und der Hersteller hat die Fehlerfreiheit des Produktes zu beweisen. Man spricht hier von einer Beweislastumkehr.
Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es hinsichtlich Konstruktion, Fabrikation und gebender Instruktion nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden. Dabei ist mit einem bestimmungsgemäßem Gebrauch sowie mit vorhersehbarem bestimmungswidrigen Gebrauch durch den Benutzer zu rechnen, allerdings nicht mit Missbrauch.
Eine wichtige Einschränkung ist, dass ein Produkt nicht allein deshalb als fehlerhaft angesehen werden kann, weil später ein verbessertes Produkt in den Verkehr gebracht wurde. Die Haftung besteht für zehn Jahre nach dem das Produkt in Umlauf gebracht wurde und drei Jahre nach einem Schadensfall. Vorausgesetzt wird hierbei die Kenntnismöglichkeit, also Wissen um die Frage „wer ist Hersteller“.
Was ist ein Produkt?
Nach § 2 des Produkthaftungsgesetzes (ProdHaftG) ist ein Produkt jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet, sowie Elektrizität. Für Produkte in Seilgärten gilt: Bauten, also Gebäude und Gewerke, sind keine Produkte, aber alles, was zerstörungsfrei ausgebaut werden kann, ist ein Produkt.
Herstellerpflichten in der EN15561-1
Jeder Hersteller oder der Erbauer eines Seilgartens muss zusammen mit dem Hauptprodukt ein Produkthandbuch zur Verfügung stellen. In der EN15561-1 findet sich unter dem Punkt 8.2 Benutzerhandbuch für Betreiber ein Leitfaden. Das Produkthandbuch muss folgende Angaben enthalten:
a) technische Beschreibung der Anlage und ihrer Einzelbestandteile (Werkstoffbescheinigung, usw.)
b) Anleitung zur ordnungsgemäßen Nutzung des Seilgartens…;
c) Bescheinigung zur Konformität nach EN15567-1
d) Herstellererklärung, die Folgendes enthalten sollte:
(1) statische Berechnung
(2) normative Verweisungen
(3) gegebenenfalls Haftungsausschlüsse
e) Anleitung zur Instandhaltung, die die Häufigkeit und das Verfahren spezifizieren, mittels derer die Ausrüstung zu inspizieren und instandgehalten werden muss
Wer ist Hersteller?
Bei Herstellern denken wir am ehesten an größere Unternehmen: die Industrie. Seit den „ERCA Industriestandards für Niedrig- und Hochseilgärten“ von 2003 gibt es die Industrie in der Seilgartenbranche. Wer oder was genau dazu gehört, ist unklar. Hersteller ist die Industrie aber nicht automatisch. Nach den Legaldefinitionen § 4 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) ist der Hersteller derjenige, der das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt tatsächlich hergestellt hat. Es kann somit durchaus mehrere Hersteller geben.
Betreiber als Hersteller
Als Hersteller gilt auch jeder, der sich durch das Anbringen seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als Hersteller ausgibt. In diesem Fall spricht man von einem Quasihersteller.
EU-Inverkehrbringer
Als Hersteller gilt außerdem, wer ein Produkt zum Zweck des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder einer anderen Form des Vertriebs mit wirtschaftlichen Zweck im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit in den Geltungsbereich das Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum einführt oder verbringt. Ein Beispiel dafür ist der Bubble Soccer Ball: der Direktimport aus China ist viel billiger, führte aber in konkreten Fällen zu allergischen Reaktionen bei den Verbrauchern. Haften musste der Importeur.
Lieferantenhaftung
Bei der Lieferantenhaftung handelt es sich um einen Sonderfall. Die Regelung tritt in Kraft, wenn der Hersteller wie in einer der beiden folgenden Varianten nicht greifbar ist:
a) Kann der Hersteller des Produkts nicht festgestellt werden, gilt jeder Lieferant als dessen Hersteller, es sei denn, dass er dem Geschädigten innerhalb eines Monats, nachdem ihm dessen diesbezügliche Aufforderung zugegangen ist, den Hersteller oder diejenige Person benennt, die ihm das Produkt geliefert hat.
b) Das gilt auch für ein eingeführtes Produkt, wenn sich der EU-Inverkehrbringer nicht feststellen lässt, selbst wenn der Name des Herstellers bekannt ist.
Umbauten oder Änderungen
Eigenmächtige Umbauten oder Änderungen von Produkten können schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. In einem Auszug aus dem aktuellem Sicherheitshinweis nimmt der SISKA am Beispiel von kontinuierlichen Sicherungssystemen mit C-Karabinern darauf Bezug:
bei Inspektionen sind Fälle aufgetaucht, bei denen die Sicherungssysteme teilweise so installiert waren, (meist abweichend von den Vorgaben der Hersteller), dass eine Komplettaushängung der Benutzer möglich war. Derzeit sind keine Unfälle aufgrund dieser Gegebenheit bekannt.
Der SISKA weist ausdrücklich darauf hin, dass die beschriebenen Vorfälle keinen Mangel der Produkte selbst darstellen, sondern ausschließlich auf Grund von fehlerhafter Anwendung beziehungsweise der Installation abweichend von der Installationsanleitung oder der Gebrauchsanleitung (GAL) des Herstellers passieren können.
Enthaftung
Hersteller von Teilprodukten können von der Haftung ausgenommen oder enthaftet werden. Die Ersatzpflicht des Herstellers eines Teilprodukts ist zum Beispiel ausgeschlossen, wenn der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in dem das Teilprodukt eingearbeitet wurde, oder durch die Anleitungen des Herstellers des (Gesamt-)Produkts verursacht worden ist.
Einsatz des Produktes außerhalb der Herstellervorgaben
Eine Enthaftung kann auch erfolgen, wenn das Produkt außerhalb der Herstellervorgaben verwendet wurde. Für nicht zertifizierte oder geprüfte Einsätze durch den Betreiber ist der Hersteller nicht haftbar. In Ausnahmefällen kann es allerdings zu einer Haftung kommen: zum Beispiel wenn bei einem Fremdeinbau die Gebrauchsanweisung fehlt.
Risikominimierung
Um Risiken so weit wie möglich zum minimieren, sollten Betreiber Folgendes beachten:
1. Alle Hersteller identifizieren und in der verwaltungsspezifischen Dokumentation nach EN 15567- 4.1 berücksichtigen.
2. Bei Eigen(um-)bau und festgestellter Herstellereigenschaft die Herstellerpflichten in der EN15567-1 selber erfüllen.
3. Erst-, Änderungs- oder Jahresinspektionen ersetzen die eigene Dokumentationspflicht nicht
4. Es gibt Anbieter für die Erstellung einer norm-konformen Dokumentation
Versicherungslösungen
Vorsicht ist besser als Nachsicht. Deshalb sollten Betreiber immer darauf achten, dass auch die Errichtung, Erweiterung und Wartung des eigenen Seilgartens mitversichert ist. Außerdem sollten vertragliche Haftungsübernahmen mit dem Versicherer abgestimmt werden, insbesondere die Verkehrssicherungspflicht im Wald!
Ein passiver Rechtsschutz ist bereits in jeder Haftpflicht enthalten. Trotzdem sollten Betreiber eine empfohlene Versicherungssumme festlegen und abweichende Eigentumsverhältnisse berücksichtigen. Tritt dann mal wirklich ein Schadenfall auf, ist dieser dem Versicherer schnellstmöglich zu melden. Klar ist: wer sich an den Vorgaben für Hersteller und Betreiber orientiert, kann Tiefen überwinden und Höhen erleben!
Infos und Kontakt:
Hans Herbert Bock
Inhaber HHB Versicherungsmakler eK
Wilhelm-Mauser-Str. 31
50827 Köln
Tel.: 0049 221 540 270
E-Mail: info@hhbock.de
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